Zuerst möchte ich auf die Stimme eines unserer eindrucksvollsten Kulturschaffenden zum Ukraine-Krieg hinweisen.
LESENSWERT: Filmemacher Alexander Kluge spricht in der „Zeit“ vom 2.3.2022 über „Möglichkeitsräume“, die zu suchen sind und warnt alle Beteiligten vor einer Politik der Selbstgewissheit und des Moralisierens. Damit könnten wir keine Sicherheitsstrukturen gewinnen.
„Jeder Dompteur im Zirkus weiß, wenn er zu nah an das Tier herangeht und seine Sicherheitszone irritiert, wird er gebissen. Die ist beim Bären etwas weiter vom Körper weg und beim Löwen etwas näher am Körper dran. Merkwürdigerweise gibt es zwischen politischen Mächten und deren Phantasmen etwas ganz Ähnliches. Das sind virtuelle Tiere. Wir müssen wieder anfangen, das politische Alphabet neu zu buchstabieren. Damit meine ich, dass dort, wo der Konflikt entstand, auch das Gegengift zu suchen ist. Das Völkerrecht entstand aus der bitteren Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges, der nicht enden wollte. Aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs stammt die Erfahrung, dass Siegermächte miteinander nicht in Reibung geraten dürfen. Am Tag von Hitlers Tod in Berlin wurde in San Francisco das Vetorecht im Sicherheitsrecht erfunden. Großmächte dürfen direkt keine Kriege miteinander führen. Dies war das stabile Element im Kalten Krieg, der im Übrigen genügend höchst gefährliche Augenblicke hatte. Erfahrungsgehalte von 1648 bis heute, ja bis zurück zum nicht enden wollenden peloponnesischen Krieg, gehören zum politischen Alphabet. So merkwürdig es klingt: Gerade jetzt in der Krise müssen wir ihre Elemente definieren. So wie der Krieg ganzheitlich ist, so ist es auch die Sicherheitsarchitektur. Das Politische ist nicht, wie man oft glaubt, das Entscheiden. In einer antagonistischen, pluralen Welt kann man nicht entscheiden. Niemand kann das. Man kann nur verhandeln oder Krieg führen. Aber gerade im Krieg kann man nicht entscheiden. Der Krieg ist ein Dämon, den man nicht beherrschen kann. Im Krieg ist nichts entscheidbar. Keiner kann gewinnen. Wer auch immer gewinnt, stürzt ab.“
(https://www.zeit.de/kultur/literatur/2022-03/alexander-kluge-krieg-ukraine-europa-frieden)
HÖRTERMIN: Die neue Ausgabe von Broadcast am 13.3., 18 bis 20 Uhr, mit einem Interview mit Konstantin Gropper von Get Well Soon zu seinem kommenden Album „Amen“. In der Sendung könnt Ihr nachhören, weshalb der überzeugte Melancholiker sich als Glas-halb-voll-Typ entdeckt hat (das Interview führte ich vor Beginn des Ukraine-krieges).
Dazu gibt es neue und wieder veröffentlichte Musik von: Emanative, Bloto, Robert Stillman, Reginald Omas Mamode IV, Mourning (A) BLKstar, Claude Cooper, Iceboy Violet, Aldous Harding, Calexico, Miss Kittin And The Hacker und anderen mehr. Eine kleine Vorschau auf das „Gold“-Album von Alabaster DePlume. „Don’t forget you’re precious“. Peace
Frank